Energiesuffizienz: zwei grosse Missverständnisse
Thomas Wälchli,
Missverständnis 1:
- «Energiesuffizienz ist Ideologie, Sozialismus gar, und bringt uns zurück in die Steinzeit»
Richtig ist: Energiesuffizienz ist ein wissenschaftlich fundiertes, sachlich begründetes Konzept
Es besagt, dass die Menschheit, insbesondere die Bevölkerung der wohlhabenden Staates des globalen Nordens bzw. die westlichen Industrienationen, das absolute Niveau ihres Energieverbrauchs reduzieren sollte, um langfristig innerhalb der planetaren Grenzen der Ressourcenverfügbarkeit und -erneuerungsfähigkeit zu bleiben.
Wir sollten also nicht mehr Ressourcen brauchen als uns die Erde zur Verfügung stellen und nicht mehr Abfälle und Emissionen verursachen als unser Planet aufnehmen kann. Das ist keine Ideologie, sondern schlicht gesunder Menschenverstand und Eigeninteresse.
Missverständnis 2:
- «Energiesuffizienz ist ein unzulässiger Eingriff in die individuelle Freiheit und reduziert die Lebensqualität»
Zweckmässig ist: die Rahmenbedingungen sinnvoll ausgestalten
Natürlich können wir nicht von Einzelpersonen erwarten, dass sie sich energiesuffizient verhalten, wenn die rechtlichen und technischen Rahmenbedingungen so ausgerichtet sind, dass sie den Energieverbrauch ankurbeln und fördern. Somit ist Energiesuffizienz eher ein Thema für die Gestaltung der rechtlichen und technischen Rahmenbedingungen und kein praktisches Werkzeug zur Beeinflussung des Individuums.
Energiesuffizienz kann die Lebensqualität sogar erhöhen, wenn die Rahmenbedingungen richtig ausgestaltet sind. Progressive oder dynamische Energietarife können sich dämpfend auf die Energiepreise auswirken. Ein besseres Angebot an internationalen Zugsverbindungen kann zur Entschleunigung und Verbesserung der Reisequalität beitragen im Vergleich zu stressigen Flugreisen. Instrumente zur besseren Verteilung der Wohnfläche pro Person können die Wohnungsknappheit mildern.
Nachhaltig ist: intelligente Energienutzung steigert die Lebensqualität
Die vermeintlichen Einschränkungen betreffen bei näherem Hinsehen ein veraltetes, einseitiges Welt- bzw. Menschenbild, das Energieverbrauch 1:1 mit Wohlstand gleichsetzt. So wie Geld allein nicht glücklich macht, macht jedoch auch Energieverbrauch per se nicht glücklich. Nur wenn wir die Energie sinnvoll und intelligent nutzen, steigert dies unsere Lebensqualität. Es ist deshalb höchste Zeit, dass wir die Energiesuffizienz nicht länger als lästige Pflicht verdrängen, sondern als Chance zur Verbesserung der Lebensqualität für uns und vor allem für die nachfolgenden Generationen be- und ergreifen.
Thomas Wälchli
Leiter Fachbereich Nachhaltige Energienutzung
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thomas.waelchli@energiestiftung.ch