Atom-Initiative: Gegenvorschlag ist unnötig und schädlich
Marcel Tobler,
Nachdem die nötigen Unterschriften gekauft und mit fragwürdigen Methoden gesammelt wurden (Medienmitteilung vom 3. September 2024), stellte der Bundesrat der Atom-Initiative «Blackout stoppen» einen indirekten Gegenvorschlag gegenüber. Er will das AKW-Neubauverbot aus dem Kernenergiegesetz streichen.
Handlungsbedarf ist fraglich
Der Bundesrat gibt an, neue technologische Chancen für die Versorgungssicherheit und die Klimaziele der Schweiz schaffen zu wollen. Doch die Streichung des AKW-Neubauverbots ist zu pauschal: Kernenergieforschung ist aktuell in der Schweiz erlaubt und findet auch statt. Jegliche neue Technologien sind momentan aber weit davon entfernt, Marktreife zu erlangen. In allen anderen Bereichen wie z.B. Impftechnologien oder automatisiertes Fahren wird die Einführung solcher neuen Technologien fallweise geprüft und erst nach ausgiebiger Abwägung ihrer Vor- und Nachteile erlaubt. Es besteht für die Atomtechnologie kein erkennbarer Unterschied, der eine vorauseilende, pauschale Erlaubnis rechtfertigen könnte. Ganz im Gegenteil: die Streichung des Neubauverbots würde den Bau herkömmlicher Reaktoren ermöglichen und befördern. Deren Risiken sind für die kleine, dicht besiedelte und verwundbare Schweiz erheblich und mehrfach belegt, weshalb die Schweiz sich erst vor wenigen Jahren bewusst gegen sie entschieden hat.
Streichung schadet Versorgungssicherheit und Klimazielen
Der Auftrag der Bevölkerung ist klar: sie will den raschen Ausbau erneuerbarer Energien in der Schweiz. Damit der Ausbau beschleunigt werden kann, muss er mit Nachdruck gefördert werden. Stattdessen vollzieht der Bundesrat mit seinem Vorschlag nun aber einen fundamentalen energiepolitischen Strategiewechsel, der das Investitionsklima in erneuerbare Energien erschwert und zusätzliche Unsicherheiten schafft.
Atomkraftwerke und ihre Stromproduktion sind wenig flexibel. Mit einer günstigen und dezentralen, variierend einspeisenden, erneuerbaren Energieversorgung sind sie kaum vereinbar. Mit der Aufhebung des Neubauverbots von Seiten des Bundesrats ist unklar, welche der gegengesetzen Technologien der Bund priorisiert. Das bremst Investitionen in die Erneuerbaren und in die Netze, was wiederum indirekt der Versorgungssicherheit schadet und das Erreichen der Klimaziele verzögert. Für Letzteres sind neue AKW keine Lösung, da die Planungs- und Bauzeiten neuer AKW, einschliesslich Beschwerdeverfahren und Volksabstimmungen, zu lange dauern, um für Netto-Null bis ins Jahr 2050 einen nennenswerten Beitrag zu liefern.
Massive Risiken für den Staat
Sollte der Bundesrat tatsächlich mit dem Bau neuer Atomkraftwerke kokettieren, müsste er auch die Finanzierung eines solchen Milliardenvorhabens klären – sehr wahrscheinlich auf Kosten der Erneuerbaren-Förderung. Laut zahlreichen Untersuchungen gehören AKW-Neubauprojekte weltweit jedoch zu den teuersten Projekten und sprengen so gut wie immer den Kostenrahmen. Sie gefährden die Kreditwürdigkeit der Investorinnen und Investoren und binden Staat und Stromkunden für Jahrzehnte an teure Verpflichtungen und sind zudem nicht versicherbar. Darüber hinaus würde sich die Schweiz abhängig von ausländischer Atomtechnologie und den notwendigen Grundstoffen machen. Diese stammen oft aus autokratischen Staaten oder Grossmächten, was nicht im Interesse der Schweizer Neutralität ist.
Stromgesetz und Energiestrategie fortsetzen
Stephanie Eger, Leiterin Fachbereich Atomenergie SES, fasst zusammen: «Was vielleicht harmlos klingt, gefährdet im Kern die Versorgungssicherheit der Schweiz und unsere Klimaziele. Statt neue Unsicherheit zu schaffen, soll der Bundesrat auf Basis des Stromgesetzes die Energiestrategie umsetzen und den Ausbau der Erneuerbaren beschleunigen. Er muss diesen schädlichen Gegenvorschlag zurücknehmen.»
Weitere Informationen
- Ausführliche Stellungnahme der SES vom 12. Februar 2025 zuhanden UVEK zum Gegenvorschlag zur Blackout-Initiative (Vernehmlassung)
- Medienmitteilung vom 20. Dezember 2024 – Aufhebung AKW-Neubauverbot: Irrweg muss korrigiert werden
- Medienmitteilung vom 25. September 2024 – Nein zu neuen AKW: Atom-Appell eingereicht
- Medienmitteilung vom 3. September 2024 – Marschhalt nötig: Gegenentwurf zur Atom-Initiative demokratisch nicht mehr haltbar
- Medienmitteilung vom 28. August 2024 – Atomausstieg: Bundesrat sabotiert die Energiewende
- Medienmitteilung vom 16. Februar 2024 – Atom-Initiative schadet der Energiewende

Stephanie-Christine Eger
Leiterin Fachbereich Atomenergie
+41 44 275 21 20
stephanie.eger@energiestiftung.ch