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Verordnungen zum Stromgesetz: Diese Massnahmen werden kaum genügen

Marcel Tobler,

Im Juni hat die Schweizer Stimmbevölkerung die Energiewende im Einklang mit Klima- und Umweltschutz deutlich befürwortet. Heute (20. November 2024) hat der Bundesrat entschieden, wie das Stromgesetz – oder zumindest Teile davon – ab 2025 umgesetzt werden sollen. Die Schweizerische Energie-Stiftung SES sieht Entwicklungen in die richtige Richtung, aber auch Verbesserungspotenzial. So ist der Mindestanteil von inländischem erneuerbarem Strom in der Grundversorgung viel zu niedrig, um ambitionierte Klimaschutzziele zu erreichen. Die noch fehlenden Massnahmen muss der Bundesrat rasch und zielstrebig umsetzen.

Die vom Bundesrat verabschiedeten Verordnungsänderungen sind sehr umfassend. Sie reichen von der Neugestaltung der Grundversorgung über die Förderung der erneuerbaren Stromproduktion, die Stärkung der Versorgungssicherheit im Winter bis hin zu Effizienzmassnahmen. Die SES nimmt zu ausgewählten Punkten Stellung.

Zu niedrige Erneuerbaren-Anteile und zu zaghafte Steigerung

Die Umsetzung der Vorgaben zur Grundversorgung ist wenig ambitioniert. Stromlieferant:innen müssen in Zukunft standardmässig nur mindestens 20% inländisch produzierten und erneuerbaren Strom anbieten. Dieser Wert liegt deutlich unter dem Status quo des Schweizer Strommixes, der zu rund 60% aus erneuerbarer Produktion besteht. Auch ist die vom Bundesrat bestimmte Frist bis 2030, einen Pfad zur Erhöhung des Mindestanteils vorzusehen, zu lange.

Léonore Hälg, Leiterin des Fachbereichs Erneuerbare Energien und Klima der SES, meint dazu: «Dies ist eine verpasste Chance. Ein hoher Mindestanteil würde die Stromlieferant:innen anspornen, attraktive Anschluss- und Vergütungskonditionen für einheimischen Solar- und Windstrom zu kreieren. Gleichzeitig könnte eine schrittweise Erhöhung des Mindestanteils sicherstellen, dass die Ausbauziele unter Mitwirkung aller Stromlieferant:innen erreicht werden.»

Schub für Grossanlagen

Die Betreiber:innen von grossen Solar- und Windanlagen haben neu die Möglichkeit statt eines Investitionsbeitrags eine sogenannte «gleitende Marktprämie» zu verlangen. Diese sichert die Vergütung für erneuerbaren Strom gegenüber Preisschwankungen am Strommarkt ab. Für grosse Solaranlagen wird sie mittels Auktionen an die günstigsten Projekte vergeben.

Die SES begrüsst die vom Bundesrat verabschiedete Umsetzung. Léonore Hälg ist überzeugt, «dass die gleitende Marktprämie neuen Investorinnen und Investoren eine interessante Chance im Schweizer Markt bietet. Das kann dem Ausbau der erneuerbaren Stromproduktion einen zusätzlichen Schub verleihen. Wir sind gespannt auf die Resultate der ersten Auktion für Solaranlagen im nächsten Sommer.»

Die Kleinen sollen gefördert statt ausgebremst werden

Für kleine Solaranlagen unter 150 kW hat der Bundesrat entschieden, dass die Einmalvergütungen mit wenigen Ausnahmen weiter sinken sollen. Dies ist unverständlich. Denn die Preise für neue Solaranlagen haben in den letzten Jahren stagniert und sind teilweise sogar gestiegen. Gleichzeitig haben sich die Preise auf dem Strommarkt und somit die Vergütungen für Solarstrom auf einem tiefen Niveau eingependelt.

Léonore Hälg von der SES sagt dazu: «Der Bedarf nach Förderung für kleine Solaranlagen ist eher gestiegen als gesunken. Wir fordern den Bundesrat auf, diesen Entwicklungen rasch Rechnung zu tragen. Der Solarausbau muss weiter beschleunigt und nicht abgebremst werden, wenn wir unsere Ausbau- und Klimaziele erreichen wollen.»

Eine Möglichkeit zur Nachjustierung hat der Bundesrat bereits mit dem zweiten Verordnungspaket zum Stromgesetz. Dort wird auch die Mindestvergütung für kleine Solaranlagen geregelt, für die sich das Stimmvolk im Zusammenhang mit dem Stromgesetz ausgesprochen hat. Diese soll Solarproduzent:innen gegen zu tiefe Preise schützen und wird vom Bundesrat voraussichtlich im Frühling bestimmt.

Finanzielle und andere verhaltensökonomische Massnahmen sollen als Effizienzmassnahmen gelten

Das Stromgesetz verpflichtet Stromlieferantinnen mittels einer Auswahl an Massnahmen, mit ihren Kunden zusammen Strom zu sparen. Der Bundesrat fokussiert auf technische Massnahmen. Die SES begrüsst diese ausdrücklich. Gleichzeitig kritisiert sie aber den Entscheid, finanzielle Anreize und weitere Massnahmen zur Verhaltensänderung nicht anrechnen zu lassen. Dazu gehören beispielsweise Stromsparboni, progressive Stromtarife oder Smart Meter und Displays, die ein besseres Verständnis des eigenen Stromverbrauchs ermöglichen.

Thomas Wälchli, Leiter des Fachbereichs Nachhaltige Energienutzung der SES, erläutert: «Finanzielle und verhaltensökonomische Massnahmen sind insgesamt sehr effektiv und kostengünstig, um Elektrizität einzusparen, wie zahlreiche Studien belegen. Ihre Wirkung ist mess- und berechenbar und über einen längeren Zeitraum anhaltend. Wir fordern den Bundesrat auf, auch solche Massnahmen in die Auswahl aufzunehmen.»

Fehlende Massnahmen rasch und zielstrebig umsetzen

Der Ausbau der erneuerbaren Stromproduktion und die nachhaltige und effiziente Energienutzung sind die Grundpfeiler der Energiewende und notwendig für den Ausstieg aus fossilen und nuklearen Energiequellen. Die SES erwartet darum die rasche und ambitionierte Umsetzung der Aspekte des Stromgesetz, die der Bundesrat noch nicht angegangen ist. Hierzu gehören unter anderem die Vorbildfunktion der öffentlichen Hand zur Verbrauchssenkung, die Mindestvergütung für kleine Solaranlagen und die lokalen Elektrizitätsgemeinschaften.

Fachbereich Klima & erneuerbare Energien

Léonore Hälg

Leiterin Fachbereich erneuerbare Energien & Klima 
+41 44 275 21 24
leonore.haelg@energiestiftung.ch



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