energiestiftung.ch energiestiftung.ch Magazin 2024-04-Energie&Umwelt → Output: Es wird einmal ein neues AKW
AKW Leibstadt mit Kühen davor
AKW Leibstadt (Bild: Thomas Egli)

Es wird einmal ein neues AKW

Märchen beginnen normalerweise mit «Es war einmal ...».
Dieses Märchen beginnt anders: «Es wird einmal ein neues, modernes, viel besseres Atomkraftwerk sein als alle vorherigen AKW.»

Eine Glosse von Dieter Kuhn, Stiftungsrat SES

Die früheren AKW verursachten viele Probleme, unter denen Menschen und Umwelt litten: Sie brauchten ein Notkühlsystem und mussten ein kompliziertes Bewilligungsverfahren durchlaufen. Sie nutzten als Brennstoff Uran, der langsam zur Neige ging, und mussten auf einem umzäunten Gelände von einer Wachmannschaft gesichert werden. Sie brauchten riesige Kühltürme mit grossen Wasserdampffahnen – die Schatten führten zu Entschädigungsforderungen –, oder Flusswasserkühlungen, die die Ökosysteme belasteten und Fischer:innen gegen die AKW aufbrachten.

Die abgebrannten Brennstäbe mussten zuerst in einem Abklingbecken liegen, bevor sie in ein Abfalllager verbracht werden konnten. Bei der Wiederaufbereitung war wegen vielen unterschiedlichen radioaktiven Isotopen höchste Sorgfalt erforderlich. Nach der Aufbewahrung der Abfälle im oberirdischen Zwischenlager war die geologische Langzeitlagerung ein Problem, das die Menschen vor sich herschoben, ohne es zu lösen. Immer wieder bestand die Gefahr, dass radioaktives Material zum Bau von Waffen abgezweigt wurde; die Massen-Buchhaltungen wiesen unerklärliche Differenzen auf. Die Nähe der AKW zu den Atombomben war problematisch; da halfen auch sogenannte Nonproliferationsverträge nicht. Nach dem Ende des Kalten Krieges wurde abgerüstet, was spaltbares Material für die kommerzielle Nutzung auf den Markt brachte. Als aber erneut atomar aufgerüstet wurde, versiegte dieser Nachschub ...

Ach, man könnte noch viele weitere Probleme aufzählen, die diese alten AKW den Menschen bereiteten.

Aber nun kommt bald ein neuartiges AKW, das nur Vorteile verspricht! Sein Brennstoff ist unerschöpflich, ja, es funktioniert sogar mit Abfall. Sein Betrieb ist sicher. Sein Bewilligungsverfahren ist schlank. Seine Kühlung ist so unauffällig, dass man gar keinen Kühlturm sieht. Es braucht kein umzäuntes und bewachtes Gelände, weil es einfach in einem unauffälligen Fabrikgebäude integriert ist. Es braucht keine Wiederaufbereitung oder Endlagerung, weil es keine Brennstäbe gibt. Und waffenfähiges Material kann auch keines abgezweigt werden.

Wie bald das sein wird? Nun, es braucht noch ein wenig Forschung, etwas Entwicklung, einige Änderungen von Gesetzen und Bewilligungsverfahren, ein paar internationale Abkommen, viel finanzielle Unterstützung. Aber dann, ja dann wird es kommen!

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Dieter Kuhn

Dieter Kuhn

Diplomphysiker, pensionierter Gymnasiallehrer