energiestiftung.ch energiestiftung.ch Magazin 2025-01-Energie&Umwelt → Tribüne: Verbandsbeschwerderecht verhältnismässig und erfolgreich

Ob mit den Wanderschuhen durch die Greina, mit dem Weinglas durchs Lavaux oder mit dem Kayak durch die Rheinschlucht: Wir alle profitieren von der wunderschönen Schweizer Natur und möchten sie auch in Zukunft bewahren. Doch Flora und Fauna stehen stark unter Druck: Ein Drittel aller Tier- und Pflanzenarten sind vom Aussterben bedroht. Weniger als vier Prozent der Schweizer Flüsse und Bäche sind noch in einem naturnahen Zustand.

Deshalb ist es zentral, dass bei Eingriffen in die Natur die geltenden Umweltgesetze eingehalten werden. Und da sich die Natur nicht selbst wehren kann, gibt es das Verbandsbeschwerderecht (VBR). Es verschafft ihr Gehör: Bei erheblichen Eingriffen in die Natur ermöglicht das VBR, dass Projekte im Zweifelsfall von Gerichten auf die Einhaltung der Gesetze geprüft werden können.

Diesen Rechtsschutz will der Ständerat nun für die 16 Grosswasserkraftprojekte aus dem Stromgesetz streichen. Die Umweltallianz steht hinter diesen Projekten und will, dass diese rasch voran- getrieben werden. Dafür setzten wir uns in den jeweiligen Begleitgruppen auch aktiv ein.

Doch das Stimmvolk hat bei der Annahme des Stromgesetzes nicht über die konkrete Ausgestaltung der Projekte entschieden. Diese liegt bei vielen Projekten noch gar nicht vor. Und auch Projekte mit demokratischer Zustimmung müssen gesetzeskonform umgesetzt werden. Einfach die Justiz auszuschalten, indem man das Beschwerde- recht streicht, schwächt den Rechtsstaat.

Gezielte Stimmungsmache gegen das Beschwerderecht und gegen die Energiewende

Wer die aktuelle Medienberichterstattung verfolgt, bekommt den Eindruck, es würden gar keine Energieprojekte realisiert. Schuld daran seien die Verbände mit ihren Beschwerden. Die Zahlen zeigen ein ganz anderes Bild: Zwischen 2010 und 2020 wurden rund 750 Wasser-, Wind- und Biomasseprojekte in der Schweiz realisiert. In diesem Zeitraum gab es im Schnitt weniger als sechs Verbandsbeschwerden pro Jahr bei Energieprojekten. Der Gang vor Gericht ist also nur selten nötig. In den allermeisten Fällen finden Projektanten und Umweltverbände gemeinsam eine Lösung, um ein Projekt rechtskonform umzusetzen. Zudem werden die Projekte auch nach einer gutgeheissenen Beschwerde fast immer weiterverfolgt – so angepasst, dass sie auch rechtskonform sind.

Beim Stromgesetz ist es gelungen, eine Zusammenarbeit über die verschiedensten Interessen hinweg zu erreichen – von der Strombranche bis zum Naturschutz. Dieser Weg ist der einzige erfolgsversprechende, um die Energiewende rasch voranzutreiben – setzen wir ihn nicht unnötig aufs Spiel!

Thomas Vellacott

Thomas Vellacott

CEO WWF Schweiz