Die Schweiz betreibt den ältesten AKW-Park der Welt.
Auf der Beznau-Insel bei Döttingen steht das zweitälteste Atomkraftwerk (AKW) der Welt. Die Schweiz betreibt mit Leibstadt (1984), Gösgen (1979), Beznau I und II (1969 resp. 1971) vier sehr alte AKW. Ihr Durchschnittsalter beträgt 45.3 Jahre (Stand: 2021). Entsprechend lang sind die Mängellisten der Reaktoren. Gebaut wurden die AKW für eine maximale Betriebszeit von 40 Jahren. Zum internationalen Vergleich: Das weltweite Durchschnittsalter von AKW liegt bei 30.9 Jahren (Stand: 2021).
Die Gefahr der Altreaktoren steigt mit zunehmendem Alter.
Wie alle technischen Geräte durchlaufen Reaktoren eine sogenannten «Badewannen-Kurve», die eine zunehmende Störungsrate am Anfang und Ende der Betriebsdauer beschreibt. Mit zunehmendem Alter verändern sich Materialeigenschaften und machen auch sicherheitsrelevante Komponenten anfälliger für Schäden. Im Fall von AKW beeinflusst die radioaktive Strahlung den Alterungsprozess zusätzlich. Hinzu kommt, dass alte Reaktoranlagen auf veralteter sicherheitstechnischer Auslegung basieren. So können AKW aus den 1960er und 1970er Jahren nur begrenzt nachgebessert werden, aber nie das Sicherheitsniveau erreichen, das heute gefordert wird. In Frankreich lässt sich beobachten, dass die alten AKW immer häufiger wegen technischen Problemen ausfallen und dadurch die Versorgungssicherheit gefährden. Die Elektrizitätskommission der Schweiz (ElCom) hat ebenfalls erkannt, dass die alternden Schweizer AKW ein Klumpenrisiko für die Versorgungssicherheit darstellen, weil unplanmässige Ausfälle im Winter mit zunehmender Betriebsdauer immer wahrscheinlicher werden - auch im Winter.
Die Sicherheitsmarge schwindet.
Nach 40 Jahren Laufzeit bereitet die Abnahme der Sicherheitsmarge Grund zur Sorge, wie die Studie des Nuklearexperten Yves Marignac anhand des AKW Beznau exemplarisch aufzeigt. Die Einschätzung des Anlagenzustands wird zunehmend schwieriger, während Materialien altern und Gefahren tendenziell zunehmen oder Neue erkannt werden. Entsprechend ist es schwierig, die ursprüngliche Sicherheitsmarge mit Nachrüstungen zu erhalten. Gemäss Kernenergiegesetz aber sollen die AKW weiterlaufen «solange sie sicher» sind. Darüber befindet die Schweizer Aufsichtsbehörde, das Eidgenössische Nuklearesicherheitsinspektorat ENSI.
Die SES sagt:
Die Betreiber:innen, die Eigentümer:innen, die Atomaufsicht und die Politik müssen Verantwortung übernehmen. Die AKW «so lange laufen lassen, bis es zu spät ist», ist unverantwortlich. Ein schwerer AKW-Unfall würde das gesamte, dicht besiedelte Schweizer Mittelland kontaminieren und unbewohnbar machen – eine unnötige und zu vermeidende Gefahr. Es braucht einen Plan, wann und wie die Schweizer AKW ausser Betrieb genommen werden können. Heute liegt sehr viel Druck bei der Atomaufsichtsbehörde ENSI, die allein über den Weiterbetrieb entscheiden muss. Die Betreiber:innen hingegen sind verpflichtet ihre AKW in Stand zu halten, was tendenziell immer teurer wird und die Stilllegung hinauszögert, da jede Nachrüstung amortisiert und jeder Stillstand kompensiert werden muss.
Stephanie-Christine Eger
Leiterin Fachbereich Atomenergie
+41 44 275 21 20
stephanie.eger@energiestiftung.ch
Themenwelt Atomrisiko
Quelle: SRF 10vor10 vom 2. November 2021
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