Unbequeme Fakten zur Atomkraft
Uranbeschaffung, AKW-Betrieb und hochradioaktiver Abfall: Atomenergie ist alles andere als nachhaltig. Eine infografische Problembestimmung in drei Etappen.
Text: Anna L. Schneider und Fabian Lüscher
Infografik: Hahn+Zimmermann*
1. Beschaffung
Atomkraftwerke sind auf Brennstoff angewiesen. Bevor das Uran im Kraftwerk landet, durchläuft es mehrere Verarbeitungsschritte, die nur von einzelnen Staaten angeboten werden. Unter dem Strich macht uns der Betrieb von AKW abhängig von einer zweifelhaften Lieferkette eines knappen Rohstoffs.
Uranproduktion
Nur eine Handvoll Staaten produzieren Uran. Deutlich mehr als die Hälfte der weltweiten Produktion stammt aus Staaten, die gemäss dem Freedom-House-Index als nicht frei gelten. Der Freedom-House-Index kategorisiert Staaten nach dem Grad ihrer politisch-zivilen Freiheit.
Erreichbares Uranvorkommen
Reichweite des verfügbaren Uranvorkommens
Uran ist ein begrenzter Rohstoff. Die Nutzung leicht erreichbarer Vorkommen ist günstiger, diese Vorkommen sind aber schnell erschöpft. Will man das gesamte erreichbare Uran aus der Erde holen, wird die Produktion aufwendiger und teurer. Zudem ist der Rohstoff umso schneller erschöpft, je mehr AKW betrieben werden. Die beiden Grafiken zeigen, dass die Nutzung von Uran je nach Szenario etwas früher oder etwas später an ihre natürlichen Grenzen stösst. Die Umstellung auf eine nachhaltige Stromerzeugung ohne AKW ist deshalb unumgänglich.
Verschmutzung
Im Uranerz ist Uran in Form von Oxiden enthalten, je nach Standort in unterschiedlicher Konzentration. Noch vor Ort wird das Uranerz mechanisch zerkleinert und gemahlen und das Uran wird chemisch herausgelöst. Bei einer durchschnittlichen Urankonzentration von 0,1 Prozent bleiben für 1 kg Uran also 999 kg Abfall zurück. Riesige, strahlende Abraumhalden und mit radioaktivem Schlamm gefüllte Tailingbecken sind Zeugen der «sauberen» Atomenergie.
Verarbeitung
Vor dem Einsatz im AKW durchläuft Uran verschiedene Verarbeitungsschritte. Zunächst wird der Rohstoff in das gasförmige Uranhexafluorid (UF6) umgewandelt (Aufbereitung). Anschliessend folgt die Anreicherung, wobei der Anteil des Isotops 235U soweit erhöht wird, dass sich der Brennstoff im Reaktor nutzen lässt. Erst dann können Brennelemente hergestellt werden. Problematisch ist, dass die Aufbereitung und die Anreicherung nur in einigen wenigen Staaten erfolgen. Die Atomindustrie ist schwer abhängig von Russland und China, die den Weltmarkt für die entscheidenden Uran-Verarbeitungsschritte dominieren.
2. Betrieb
Der Betrieb von Atomkraftwerken ist in vielerlei Hinsicht mit grossen Risiken verbunden. Nicht nur sind Atomunfälle viel häufiger, als gemeinhin angenommen wird, auch reissen ungeplante AKW-Ausfälle ein klaffendes Loch in die Stromversorgung. Welche gravierenden Auswirkungen dies hat, zeigte jüngst der mehrmonatige Stillstand der halben AKW-Flotte Frankreichs, eine der zentralen Ursachen für die angespannte Energiesituation Europas.
Versorgungssicherheit
Das grösste Risiko für die Versorgungssicherheit sind ungeplante AKW-Ausfälle, wie eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung belegt. Atomkraft ist nicht annähernd so verlässlich, wie gerne angenommen wird. Die Grafik zeigt die Nichtverfügbarkeit von Atomstrom der vier Schweizer AKW. Die dunklen Flächen haben es in sich: Abgesehen von den geplanten Revisionsarbeiten im Sommer häufen sich in den letzten Jahren die Ausfälle gerade in den vulnerablen Wintermonaten.
Wärmeeinleitung in Gewässer und in die Atmosphäre
AKW erzeugen Wärme. Nur rund ein Drittel davon kann für die Stromproduktion genutzt werden. Der Rest wird als Abwärme ungenutzt an Gewässer oder in die Atmosphäre abgegeben. Der gewaltige Kühlwasserbedarf und die Erwärmung der Gewässer sind gerade in Zeiten der Klimaerhitzung gewichtige Nachteile dieser Technologie.
Nukleare Unfälle
Seit Mitte der 1950er-Jahre haben sich mehr als 20 nukleare Unfälle (INES 4 oder höher) ereignet. Das macht im Schnitt rund einen Nuklearunfall alle 3,5 Jahre. Aus der Masse an Störund Unfällen ragen die AKW-Kernschmelz-Unfälle von Three Mile Island (1979), Tschernobyl (1986) und Fukushima (2011) heraus. Umgelegt auf die knapp 70-jährige Geschichte der kommerziellen Atomenergienutzung ergibt sich historisch ein Durchschnittswert von einer AKW-Katastrophe alle 23 Jahre.
Geschätzte Schadenskosten
Schwere AKW-Unfälle verursachen astronomische Kosten. In der Schweiz beträgt die versicherte Deckungssumme für AKW-Unfälle 1,5 Mrd. EUR. Die tatsächlichen Kosten eines schweren Unfalls in der Schweiz können nur geschätzt werden. Abhängig davon, ob nur Sach- oder auch Personenschäden und die Zerstörung von Lebensgrundlagen in die Schätzung einfliessen, variieren die möglichen Kostenfolgen zwischen 88,3 Mrd. EUR und 8000 Mrd. EUR. Die versicherte Deckungssumme wäre im Ernstfall höchstens ein symbolischer Beitrag.
3. Abfall
Während schwach- und mittelaktive Abfälle auch in Medizin und Forschung anfallen, stellen die hochradioaktiven AKW-Abfälle das entscheidende Problem dar, das unverhältnismässig viele kommende Generationen beschäftigen wird.
Abfallvolumen
AKW produzieren hochradioaktiven Abfall. Im Vergleich zu den schwach- und mittelaktiven Abfällen ist sein Volumen relativ gering. Allerdings enthält er 99 Prozent der Radiotoxizität aller radioaktiven Abfälle. Für die Umwelt und künftige Generationen besteht das vordringliche Ziel heute darin, die Produktion dieser Abfallkategorie zu beenden. Dafür muss der Ausstieg aus der Atomenergie so schnell wie möglich erfolgen.
Generationenungerechtigkeit
Umweltbelastung
Um Umweltfolgen verschiedener Stromtechnologien zu vergleichen, misst das Bundesamt für Bauten und Logistik die Gesamtumweltbelastung pro produzierter Kilowattstunde Strom in sogenannten Umweltbelastungspunkten (UBP). Der Vergleich zeigt deutlich: Gerade wegen des Atommülls belastet Atomstrom die Umwelt wesentlich stärker als Strom aus Sonnen-, Wind- oder Wasserkraft.
Zwischenlagerkapazität
Die Zwischenlagerung hochradioaktiver Atomabfälle ist ein Risiko für Mensch und Umwelt, aufwendig und in der Schweiz auf die beiden dafür vorgesehenen Anlagen begrenzt. Sollen die bestehenden AKW über eine Laufzeit von 60 Jahren betrieben werden, wird der Platz knapp, die Lagerkapazität muss sogenannt «optimiert» werden.
*Autor:innen und Infografik
Fabian Lüscher
ehem. Leiter Fachbereich Atomenergie
Anna Lydia Schneider
ehem. Programm-Mitarbeiterin
Hahn+Zimmermann
Hahn+Zimmermann sind auf Kommunikationsdesign und Informationsgrafik spezialisiert. Sie entwickeln individuelle Gestaltungskonzepte und Datenvisualisierungen für nationale und internationale Kunden aus den verschiedensten unternehmerischen und institutionellen Bereichen.
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